Erster Flug seit 10 Jahren
Die letzten zehn Jahre konnten wir das Fliegen vermeiden und sind einmal im Jahr mit dem vollgepackten Auto in den Süden gefahren. Da waren wir noch zu viert. Unsere treue vierbeinige Begleiterin Winni liebte das Autofahren in ihrer Hundebox und beanspruchte dann den ganzen Kofferraum für sich. Leider hat uns Winni vor wenigen Wochen verlassen, so dass unsere Teenager-Tochter mit ihrem Wunsch endlich mal zu fliegen sich diesmal durchgesetzt hat. Wer Teenager zu Hause hat, wird es vermutlich nachvollziehen können, dass es in dieser Lebensphase manchmal sinnvoller ist seine Ideale etwas zurückzustellen und den Familienfrieden zu Liebe die eine oder andere „Umweltsünde“ zu begehen. Gemäß der „Umweltregel“, dass je weiter man fliegt, desto länger sollte der Aufenthalt im am Urlaubsort sein, beschlossen wir zumindest 15 lange Tage in Badesi im Nordwesten von Sardinien zu verbleiben.
Eine Herausforderung 15 Tage nichts zu tun
Unsere Urlaubsplanungen sah zwei Wochen „nichts“ zu tun:-)
Was einfach klingt, ist aufgrund unseres hektischen Alltags gar nicht so einfach. Sich zwingen nichts zu tun, den eigenen natürlichen Biorhythmus zu finden und zu folgen, sich für alles Zeit lassen und beim Warten an der Kassenschlange sich einfach mal nicht aufregen, dass man wieder mal die Schlange gewählt bei der es am längsten dauert.
Im Fall meiner Tochter und mir bedeutet dem eigenen Biorhythmus zu folgen, lange auszuschlafen, spät und ausgiebig zu frühstücken, in der Mittagshitze zu chillen, um danach zum Strand zu fahren. Dort viel Zeit im Meer verbringen und zwischendurch das Urlaubsbuch lesen. Wenn der kleine Hunger sich bemerkbar macht, an der Strandbude eine Kleinigkeit essen und ein sardisches eiskaltes Bier namens Ichnusa trinken. Gegen Abend, am liebsten kurz nach dem Sonnenuntergang direkt in den Supermarkt einkaufen fahren. Danach gemeinsam etwas kochen oder einfach mal frisch machen, und beim Ristorante um die Ecke eine leckere Pizza essen.
Wenn dieser Ablauf zur Routine wird, dann kommt man langsam runter und es fängt eine Tiefenentspannung an.
Sardinien ohne Mietwagen
Vor 10 Jahren als wir zum ersten Mal auf Sardinien waren, haben wir den Norden der Insel mit den blauen Linienbussen der ARST bereist. Das hat funktioniert, da das Netz gut ausgebaut ist und die Busse selbst komfortabel und klimatisiert sind. Die Fahrpläne der Busse orientieren sich eher an den Bedürfnissen der Einheimischen. Die Kinder fahren morgens mit dem Bus zur Schule und nach der Schule wieder nach Hause. Ansonsten ist die Fahrzeittaktung eher alle 2 Stunden. Wer Zeit und Geduld mitbringt, der kommt aber überall hin.
Wir entschlossen uns diesmal aber für einen kleinen Mietwagen, der allerdings im Vergleich zu anderen europäischen Urlaubsregionen mit ca.50 Euro pro Tag nach meinem Ermessen nicht gerade günstig war.
Fürs Autofahren auf Sardinien muss man deutlich mehr Zeit einplanen als die reine Luftstrecke es auf ersten Blick vermuten lässt. Man bewegt zumeist auf einspurigen, kurvenreichen Straßen, so dass man für 50km eineinhalb Stunden einplanen muss.
Das Autofahren macht bei der Hitze und den Straßen also nicht wirklich Spaß und umso wichtiger ist es sich einen Urlaubsort auf der großen Insel auszusuchen, der den eigenen Ansprüchen entspricht.
Städtchen Badesi – eine angenehme Mischung
Gelandet in Olbia auf der Ostseite mussten wir über kurvenreiche Straßen Sardinien überqueren, um unseren Urlaubsort Badesi auf der Nordwestseite zu erreichen.
Badesi ist eine kleine Weinstadt und liegt auf einer Anhöhe oberhalb seiner Rebstockfelder mit einem Meeresausblick Richtung Westen bis zu Korsika. Dies hat zur Folge, dass man jeden Abend in Badesi pittoreske Sonnenuntergänge genießen kann. Ein Zimmer mit Blick aufs Meer ist hier tatsächlich sein Geld wert.

Badesi Mare mit seinem kilometerlangen Sandstrand ist aber auch nur ca. 2 km entfernt.
In Badesi, so wie zumindest im gesamten Norden und Nordwesten von Sardinien sind keine hochgebauten, großen Hotels zu finden. Es überwiegen ein- bis zweistöckige Apartemntanlagen in unauffälligen „einheimischen“ Baustil, die zwischen den Häusern der Sarden stehen und sich gut in die Landschaft einfügen.
In den offen gehaltenen Ferienanlagen versammeln sich Menschen und insbesondere Familien aus ganz Europa, aber hauptsächlich Italiener, so dass das Personal oft nur wenig Englisch kann.
Badesi selbst hat sich sein Eigenleben bewahrt. An der Hauptstraße gibt es neben den typischen Cafe-Bars, wo die einheimischen Rentner stundenlang über einem Espresso über Gott und die Welt diskutieren, unter anderem auch einen Metzger und ein Imbiss, das typische sardische Küche wie die Zuppa Gallurese anbietet.
Für die Grundversorgung gibt es aber auch zwei Standard-Supermärkte, die man beide fußläufig erreichen kann. Auch fürs abendliche Essen gehen, das eher bei den Italienern erst so um 20 Uhr angesagt ist, sind einige, nette Restaurants im Ort vorhanden. Unser Favorit Ristorante Pizzeria Li Scalitti liegt etwas unterhalb von Badesi direkt an der Küstenstraße SP90.
Die Einwohner von Badesi sind bemüht sich ihre sardische, lokale Identität zu wahren. So gibt es abends auf der Hauptstrasse schon mal ein Straßenfest bei dem Folkloretänze aufgeführt werden und auch köstliche, lokale Spezialitäten und Weinverkostungen angeboten werden.
Strände und Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Badesi
Zu Füßen von Badesi liegt eine Schwemmebene. Im Vergleich zu der überwiegend aus Granit bestehenden Insel besteht die Ebene komplett aus Sand und Dünen. Auf diesem sandigen Boden wird seit Jahrhunderten Wein angebaut. Ein touristischer schöner Nebeneffekt ist ein 11 kilometerlanger Sandstrand der sich von im Osten über Badesi Mare bis zu Valledoria im Westen erstreckt.
Der Strandabschnitt bei Valledoria bietet noch eine weitere Besonderheit. Der Fluss Coghinas mündet dort ins Mittelmeer, so dass der Strand von beiden Seiten vom Wasser umgeben ist. In der davor liegenden Mümdungslagune können Anfänger wunderbar das Windsurfen erlernen. Ausrüstungsverleih und Kurse werden dort auch von deutschsprachigen Surfschulen angeboten.

Wer lieber in kleinen und schönen Buchten badet, der fährt mit dem Wagen von Badesi lediglich ca. 10 Minuten Richtung Osten an der Küste entlang. Im nächsten Ort findet man die La Marinedda Bucht mit schönen breiten Strand, die nie überfüllt während unseres Urlaubs war. Auch nicht an Wochenenden, wenn auch die Einheimischen einen Tag am Meer genießen. Dafür war es eine der wenigen Möglichkeiten kostenlos direkt in Strandnähe zu parken.
Costa Paradiso – Kontrastprogramm für die Augen
Halbe Stunde weiter nordöstlich mit dem Auto kommt man zu der Costa Paradiso. Dieser Küsteabschnitt mit seinen ausgefallenen Granitfelsenformationen und kleinen Buchten ist ein sehenswerter Kontrast zu den Stränden um Badesi. Meine Empfehlung ist ein Abendspaziergang entlang der Granitfelsen mit Sonnenungang im Hintergrund. Unvergessliche Urlaubsbilder sind garantiert. Auch die Zufahrt zu der Küste durch die engen Sträßchen der terassenförmig angelegten Feriensiedlung an der Costa Paradiso ist abends dann deutlich leichter bzw. erst dann möglich da diese tagsüber unter Umständen durch eine Schranke mit Wachmann abgeriegelt wird.

Spaziergang in den Sonnenuntergang nach Badesi Mare
Ein kleiner Ausflug bei dem nicht das Auto bemühen muss, ist ein Spaziergang von Badesi nach Badesi Mare abseits der Hauptstraße.
Von Badesi kann man zwischen den Rebstockfeldern einen wunderbaren Spaziergang an den Strand von Badesi Mare machen. Der Weg ist als Hiking-Weg ausgeschildert und beginnt gegenüber dem Supermarkt an der unteren Küstenstraße. Ich würde diesen Spaziergang aber erst gegen Abend empfehlen und nach Sonnenuntergang am Strand den Rückweg antreten. Tagsüber ist es für jegliche physische Anstrengung einfach zu heiß.

Ganz in der Nähe – pittoreske Castelsardo
Wie oben erläutert, lautete unser Urlaubskonzept einfach mal „nichts zu tun“ bzw. sich einer entspannten Schlafen-Essen-Strand-Schlafen-Routine hinzugeben. Da sind Ausflüge fast etwas störendes, da das Autofahren langwierig und anstrengend ist. Der übernächste Ort Castelsardo ist aber in wenigen Autominuten erreichbar und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Der Ort liegt auf einem Felsvorsprung direkt am Meer und wird von einer Burg an der Spitze des Felsens gekrönt. Ein Spaziergang hinauf zur Burg bietet bei jeder Abbiegung einen immer schöneren Ausblick bei dem man nicht widerstehen kann sich auf einem Erinnerungsfotos zu verewigen.

Internet-Tipp Spiaggia della Pedosa
Natürlich gibt es auch weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Auch wir haben im Internet recherchiert und erfahren, dass man ganz im Nordwesten unbedingt den Strand / die Spiaggia della Pedosa besuchen sollte. Der feinsandige Strand sollte locker mit Sylt mithalten können. Das kann ich so bestätigen. Aber nach einer eineinhalb stündigen, langwierigen Fahrt waren wir leicht schockiert. Es war kaum möglich einen Parkplatz zu finden. Der Strand selbst ist gerade mal 200 Meter lang und völlig überlaufen. Dieses kleine Fleckchen „Paradies“ darf man sich mit Tausenden anderen Menschen teilen. Wir haben nicht mal versucht einen Platz direkt auf dem Strand zu finden, sondern haben uns auf den Felsen davor „gemütlich“ gemacht. Der Ausflug hat sich letztendlich nicht wirklichh gelohnt. Dafür hat Sardinien einfach viel zu viele wunderschöne Ecken die im Sommer nicht ansatzweise so überlaufen sind.

Sardinien im Hochsommer
Sardinien ist wunschgemäß im Sommer täglich über 30 Grad heiß. Die Hitze ist aber im Nordwesten erträglich, da eigentlich ständig eine leichte Brise weht. Allerdings sollte man für die täglichen Strandbesuche mit einem Sonnenschirm ausgestattet sein, da sonst der Sonnenbrand garantiert ist. Wer keinen von Zuhause mitbringt, sollte vor dem ersten Strandbesuch mindestens in einen Schirm investieren. In den Geschäften erhält man für ca. 12 Euro bereits ein vernünftiges Modell.
Wir haben die Gegend um Badesi nie überfüllt erlebt. Trotz enger Straßen und Hochsaison, standen wir kein einziges Mal im Stau. Die Strände sind an den Wochenenden naturgemäß etwas voller, aber auch dann findet man immer einen Platz wo der nächste Nachbar erst mehrere Meter entfernt liegt.
Die Strände sind sauber, das grünblaue Wasser ist glasklar und es liegt kein Müll in der Landschaft.
Dies kann auch damit zusammen hängen, dass bezüglich der Müllentsorgung auf Sardinen ein Umdenken statt gefunden hat. Auch wenn ein Pfandsystem nicht existiert und Mineralwasser ausschließlich in Plastikflaschen verkauft wird, sind die Sarden bemüht ihren Müll nach Plastik, Glas, Papier und Rest zu trennen. Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich meine vor 10 Jahren als ich zum letzten Mal auf Sardinen war, war das noch nicht der Fall.
Der Tourismus ist sicherlich wichtig für die Gegend, aber trotzdem scheint dieser nicht alles zu dominieren.
Es gibt zwischen 13 und 16 Uhr in den Geschäften eine Mittagspause und auch ansonsten scheinen die Sarden ein angenehm, entspanntes Völkchen zu sein. Das überträgt sich irgendwie auch auf die fliegenden Händler am Strand die allgegenwärtig sind, aber einen nie belästigen.
Was noch sehr angenehm an Badesi war, aber wir uns aufgrund des nahgelegenes Flussdeltas nicht erklären konnten, war die Tatsache, dass wir mit keiner einzigen Mücke die Bekanntschaften machen durften.
Preisniveau
Das Preisniveau ist ebenfalls angenehm normal. Mein Preis-Maßstab ist eine große Pizza Margarita und die bekommt bereits in der Regel im Restaurant für 5 Euro. Aber auch die Preise in den Supermärkten sind auf einem normalen Niveau, wobei die Frische und geschmackliche Qualität überzeugen
Eine Empfehlung ist Obst und Gemüse von Ständen an den Straßen auszuprobieren. Vielleicht kostet es dort etwas mehr als in den Supermärkten, dafür ist der Geschmack von frisch geernteten, lokalen Feigen oder Weintrauben unvergleichbar.
Badesi – mehr Urlaub braucht kein Mensch!









