-Dieser Artikel enthält unbezahlte Markennennungen-
Mein neuer zweiradiger Gefährte ist endlich da. Wie im Teil 1 „Anforderungen an mein neues Reiserad“ beschrieben, war ich mir ziemlich klar darüber wie man neues Reiserad ausgestattet sein soll. Trotzdem oder gerade deswegen war es eine schwere „Geburt“.
Neben einem qualitativ hochwertigen Stahlrahmen und 26 Zoll Laufrädern, sollten eine Rohloff-Nabenschaltung, Magura-Felgenbremse und SON-Lichtanlage die gewünschte technische Sorglosigkeit sicherstellen.
Nachdem ich intensiver recherchiert habe, stellte sich heraus, dass es doch mehr Radhersteller am Markt als Rotor und Velotraum gibt die diese Hauptanforderungen erfüllen können. So konnte mir der lokale Fachhändler ein Modell des deutschen Herstellers Boettcher empfehlen. Von Boettcher habe ich vorher noch nie was gehört. Allerdings hatte ich
kurz danach in einem Reisebericht von einem Paar, das gerade in China mit fast identischen Boettcher Reiserädern unterwegs war, dass dem einfach so ohne einen Unfall der Rahmen gebrochen ist. Das mag ein Einzellfall sein, aber irgendwie hat mich das doch abgeschreckt, so dass ich von Boettcher Abstand genommen habe.
Eigentlich hatte ich immer mit dem Gedanken gespielt mir das TX-400 von VSF Fahrradmanufaktur zu holen. Allerdings hat VSF das Modell TX-400 letztes Jahr aus dem Programm genommen. Auf meine Rückfrage bei VSF, erhielt ich die Auskunft, dass VSF auch nicht vor hat es wieder anzubieten.
Passender Radrahmen für ein Zwischengrößeproblem
Letztendlich gab es aber ein Problem das keines der Standardräder egal von welche, der vorgenannten Herstellern lösen konnte. Ich war mir total unsicher, welche Rahmengröße ich wählen sollte. Ich habe mit meinen 185cm bei vielen Dingen einen Zwischengrößeproblem. Mal passt mir L und mal ist XL besser. Das gleiche Problem habe ich bezüglich Rahmengrößen von Rädern.
Des weiteren habe ich ein Sitzhaltungsproblem auf dem Rad. Bei längeren Fahrten auf meinem Cyclocross versteift mein Nacken und meine Hände werden taub.
Der Rahmengröße bzw. einer ergonomisch optimalen Rahmengeometrie kam in meiner Situation somit eine entscheidende Rolle für eine gelungene Langzeitradreise.
Es war mir aber nicht möglich einen Händler zu finden, der ein gewünschtes Modell überhaupt vorrätig hatte. Von zwei verschiedenen Größen, um eine vergleichende Probefahrt zu machen, ganz zu schweigen.
Auch die Antwort der Händler bezüglich der richtigen Rahmengröße war erwartungsgemäß unbefriedigend. Man könne viel nach hinein über den richtigen Vorbau ausgleichen, hieß es lapidar.
Es blieb mir also anscheinend nichts anderes übrig, als das Reiserad zu bestellen/kaufen und erst nach Lieferung festzustellen, ob es passt.
Bei einer Investition von über 3000 Euro, eine unbefriedigende Ausgangssitutation.
Maßgeschneiderter Radrahmen ist bezahlbar
Ich weiß nicht mehr, wie ich auf den Hersteller Patria und damit auf die Lösung meines Dilemmas gekommen bin. Patria selbst war mir zwar als Radmarke ein Begriff, aber mir war nicht klar, dass Patria individuelle und erschwingliche Custom-Radrahmen baut.
Patria vertreibt seine Räder online und über ausgewählte Fachhändler. Diese Händler bieten einen sogenannten Velochecker an. Bei diesem kostenpflichtigen Check wird man auf ein Standrad gesetzt bei dem nicht nur die Höhe sondern alle entscheidenden Rahmenparameter wie Sitzwinkel oder Oberrohrlänge mit wenigen Handgriffen angepasst werden können.
Der Preis für den Velochecker-Test ist vom Händler zu Händler unterschiedlich und wird beim Kauf des Reiserades zumindest zum Teil mit dem Rad verrechnet.
Patria Verlochecker – eine Frage des Vetrauens
Das Entscheidende bei dem Velocheck, ist die Expertise des Händlers bezüglich einer ergonomisch optimalen Sitzposition, die zu dem gewünschten Fahrstil passt.
Dazu muss der Händler erstmal dem Kunden genau zuhören. Was ist die Erwartungshaltung des Fahrers an das Rad? Was hat der Kunde mit dem Rad vor? Wie oft will er es fahren? Welche Streckenlängen? Wie sportlich? Welches Gelände?
Das sind alles Fragen, die ich erwartet habe und die auch gestellt wurden.
Der Vermessungsprozess auf dem Velochecker ist dann eine Frage des Vertrauens.
Einem selbst bleibt sich die Fragen zu stellen:
Ist das was der Händler einem rät plausibel? Deckt sich das mit dem eigenen Gefühl?
Man sollte die eigenen Vorstellungen, wie das Rad zu sein hat, nicht zu stark kommunizieren. Sonst besteht aus meiner Sicht die Gefahr, dass der Test nicht ergebnisoffen verläuft, sondern der Händler schließlich nur das bestätigt was man hören will.
Die Ergebnisse des Velocheckers
Bei mir hat der Velochecker den Händler zu Aussagen gebracht, die mit meinem Gefühl übereinstimmten. Ich tendiere auf dem Rad zu einem Rundrücken. Das führt zu einer starken Last auf den Armen und einem Ziehen am Lenker. Das bedeutet für mich, dass ein optimaler Rahmen nicht reichen wird, um beschwerdefrei lange auf dem Rad unterwegs zu sein. Ich muss an meiner Sitzposition trainieren.
Der Händler hat mir noch weiter zugehört. Ich äußerte nämlich meine Bedenken, dass ich meine fehlerhafte Sitzposition nicht von einem Tag auf den anderen abstellen kann. Wenn ich aber jeden Tag 100 km über längeren Zeitraum radeln möchte, muss ich den einsetzenden Schmerzen etwas entgegensetzen können, damit es nicht schlimmer.
Dafür bzw. dagegen hat mir der Händler meines Vertrauens zu einem Lifter als Vorbau geraten. Mit seiner Hilfe kann ich die Lenkerhöhe mit eine Handgriff von optimal zu fast aufrecht verändern. Dadurch bin ich dann zwar nicht mehr so effizient unterwegs (muss mehr Kraft aufwenden, um mit gleicher Geschwindigkeit voranzukommen), aber ich kann meine Fahrt fortsetzen. Das Gute an dem Velochecker, ich habe beides nach dem Höherstellen des Lenkers gemerkt. Durch die aufrechtere Haltung hatte sich zwar die Belastung des Rückens sofort reduziert, aber gleichzeitig merkte ich, dass ich mehr Beinkraft aufwenden musste, um die Geschwindigkeit auf dem Velochecker zu halten.
Das waren alles Ergebnisse des Velocheckers und sie waren für mich alle plausibel. Mit der über 2-stündigen Beratung (!) war ich sehr zufrieden.
Nach dem Velocheck Zeit lassen
Trotzdem habe ich mir zwischen dem Velochecker und der eigentlichen Bestellung einige Tage Zeit gelassen, um die Ergebnisse und den daraus resultierenden Radpreis sacken zu lassen.
Ein maßgeschneiderter Rahmen kostet bei Patria zwar nur zusätzliche 220 Euro, aber wenn man bereits deutlich sein vorab gesetztes Budget überschritten, tun die 220 Euro doch etwas weh.
Das Ergebnis des Velochecker-Test kann aber auch sein, dass man mit einem Patria-Standardrahmen klar kommt und nur die richtige Rahmenhöhe definiert werden muss. Dann fallen die 220 Euro nicht an. Der Test ist es aber wert.
Bei der Maßanfertigung für 220 Euro wird das Rad genau nach Vorgaben des Händlers von Patria gebaut. Das dauert ab Zeitpunkt der Bestellung schon mal 8 Wochen. Schließlich wird der Rahmen in Deutschland in einer Manufaktur gebaut.
Das erste Treffen mit meinem neuen zweiradigen Gefährten
Mein erster Eindruck war: Ganz schön groß der neue Kollege.
Hätte ich das Rad so im Laden gesehen, hätte ich es spontan abgelehnt. Nominell hat das Rad eine Rahmenhöhe von 60 cm. Ich hätte mir maximal eins mit 58 cm als Standardrad gekauft.
Ich muss mich auf die Ergebnisse des Velocheckers also jetzt verlassen. Die ersten Kilometer hinterließen aber einen guten Eindruck. Ich sitze ungewohnt hoch aber anscheinend weniger gebuckelt als sonst. Bin gespannt auf die ersten Langstreckentests.
Weitere Bilder von Jungfernfahrt mit meinem neuen Patria Terra: