Rheinbruecke mit verschneiten Radweg

Leben ohne eigenes Auto

Im November war es soweit. Das erste Jahr ohne eigenes Auto war vorbei. Zum ersten Mal seit dem ich mit 18 Jahren meinen Führerschein gemacht habe, hatte ich in den letzten 12 Monaten ein Leben ohne eigenes Auto geführt.

Ein eigenes Auto ist zugegebenermaßen bequem. Man ist unabhängig, kann jederzeit überall hinfahren. Gleichzeitig ist man vor jeglicher Witterung geschützt und kann den Innenraum nach Belieben klimatisieren. Das eigene Auto bietet einem Privatsphäre in der man ungezwungen sich unterhalten oder einfach die eigene Musik aufdrehen kann.

Gleichzeitig ist es nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern ein Statement darüber wie man von den Mitmenschen wahrgenommen werden möchte. Es ein Imageträger.

15 Jahre lang bin auch ich in meinem bequemen Auto zu Arbeit gependelt. Auch viel meiner Arbeitszeit habe im Firmenwagen verbracht.

Letztendlich habe ich einen Arbeitsplatzwechsel nach Düsseldorf als Anlass genommen mein persönliches Mobilitäts-Konzept zu überdenken.

Persönliches Mobilitätskonzept gegen allgemeinen Verkehrskollaps

Duisburg meine Heimatstadt ist eine Logistikstadt, hat aber eine veraltete Infrastruktur aus den 50er Jahren. Beispielweise sind die Brücken über den Rhein und die vielen Kanäle baufällig und teilweise nur einspurig befahrbar. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Stadt übersät mit Dauerbaustellen ist. Während der Rush-Hours bewegt sich der Verkehr nur im Schneckentempo.

Die offensichtlich bequeme Lösung das eigene Auto hätte bedeutet 2 bis 3 Stunden täglich mit dem Autofahren zu verbringen. Eine für mich verlorene Lebenszeit.

Sich mit meinem kleinen Elektroauto Twizy zum Bahnhof durch den Stadtverkehr zu quälen, wäre auch weder zeiteffizient noch ökonomisch. Leider bräuchte der Twizy auch einen vollwertigen Autoparkplatz am Hauptbahnhof.

Umweltfreundlich, kostengünstig und mehr Lebenszeit

Für diesen öffentlichen Missstand musste ich eine individuelle Mobilitätslösung finden. Dabei war mein Anspruch möglichst umweltfreundlich und kostengünstig unterwegs zu sein.

Die gefundene Lösung ist nach allgemeiner Meinung deutlich unbequemer.

Sie bedeuten aber nicht nur einfach Zugfahren.

Um Zug zu fahren, muss man erst mal zu einem Bahnhof kommen. In meinem Fall zum Duisburger Hauptbahnhof. Das würde mit Auto oder Bus&Bahn in Duisburg für mich doppelt so lange dauern wir die eigentliche Zugfahrt nach Düsseldorf!

Meine wetterabhänigige Pendler-Mobilitätslösung

Schließlich habe ich mehrere Alternativen gefunden, die in Abhängigkeit von Wetter- und Temperatur zum Einsatz kommen.

Für trockenes Wetter bis 0 Grad habe ich mir einen 50er Elektroroller angeschafft. Eine bequeme, schnelle und umweltfreundliche Fortbewegungsmöglichkeit. Im Sommer ein Genuss. Lautlos durch die Stadt zu gleiten, macht einfach Spaß. Am Bahnhof kann ich meinen Roller kostenlos an einem überdachten Zweiradparkplatz abstellen.
Muss aber zugeben dass für schnelles Vorankommen, ich bei roten Ampeln an den stehenden Autos in der Regel vorbeifahre und mich so in die Poleposition bringe. Das ist wahrscheinlich strenggenommen verkehrswichtig, aber aufgrund der Verkehrssituation in Duisburg unvermeidbar.

Für trockenes aber kaltes Wetter unter 0 Grad kommt das Elektrorad zum Einsatz. Durch die geringere Geschwindigkeit ist das E-Bike bei Glättegefahr weniger gefährlich als der E-Roller. Außerdem sorgt das in die Pedalen treten dafür, dass es mir nicht kalt wird. Gleichzeitig verhindert die Unterstützung durch den Elektromotor, dass ich nicht schwitze. Das E-Bike kann ich sogar kostenlos mit im Zug mitnehmen und brauche so keinen Diebstahl zu befürchten.

Bei regnerischen Wetter am Morgen, bleibt mir immer noch die Alternative mit dem öffentlichen Bus zum Bahnhof zu fahren. Aber es ist erstaunlich wie selten es Morgens wirklich so stark regnet, dass ich den „Bus-Joker“ ziehen muss.


Resümee nach einem Jahr ohne Auto

Bei den beiden ersten Alternative reduziert sich die Anfahrtszeit zum Hauptbahnhof auf erträgliche 20 Minuten und wenn die Deutsche Bahn mir nicht einen Strich durch die Rechnung macht, bin in knapp über einer Stunde von Tür zu Tür unterwegs. Zusätzlich bekomme ich jeden Tag meine Portion frischer Luft und Bewegung ab. Als Bürotiger komme ich durch den Fußweg von Bahnhof zum Arbeitsplatz und beim Umsteigen so auf einige Hundert Schritte, die ich sonst nicht machen würde.

Die mindestens 2 Stunden Fahrzeit sind aber Zeit die ich für mich habe. Ich habe im letzten Jahr so viele Bücher und Zeitung gelesen, wie selten zuvor. Auch die meisten Blogbeiträge haben zumindest ihren groben Entwurf während der Zugfahrten erhalten.

Wenn man sich jahrelang nur mit dem eigenen Auto fortbewegt, lebt man irgendwie in einer Blase. Man springt in der Regel stets an der gleichen Orten in die Autokapsel rein und wird in der Regel an den immer selben Stellen wie dem Arbeitsplatz oder dem Supermarktplatz rausgespuckt. Man bekommt nicht wirklich hautnah mit, was in der Welt passiert. Im Zug bekommt man mehr vom Leben mit. Zumindest ist es für mich so und ich war erstaunt, wie international die Fahrgäste in den Regionalzügen im Rhein-Ruhr-Gebiet geworden sind. Gleichzeitig bin ich aber auch erstaunt, wie friedlich die Menschen miteinander umgehen und wie schnell sich diese neuen Mitbürger an das Leben hier in Deutschland angepasst haben.

Der Verzicht auf das Auto war für mich die richtige Entscheidung. Es hat mein Leben bereichert. Es ist mit 120 Euro fürs Monatsticket darüber hinaus günstiger als fast jedes Auto und besser für die Umwelt ist es auch.

Update 20.01.2019

Trotz des kalendarischen Winters hat sich die Temperatur in den letzten Wochen deutlich über 0 Grad bewegt. Diese milden Temperaturen erlaubten mir bequem mit dem E-Roller morgens meinen Arbeitsweg anzutreten.

Am Freitag ist der Winter doch noch im Ruhrgebiet angekommen. Bei morgendlichen -4 Grad, entschied ich mich anstatt des E-Rollers das E-Bike aus der Garage zu holen. Eingepackt in dicke Mütze und Handschuhe war die Fahrt auf den leicht angefroren Fahrradwegen kein Problem.

Die frischkalte Luft und das bisschen Bewegung haben sich als angenehme Wachmacher herausgestellt.

Der Sonnenaufgang bei der Rheinüberquerung war eine schöne Überraschung für einen perfekten Start in den winterlichen Freitag!

Sonnenaufgang Wintermorgen Rheinbrücke Duisburg
Mit dem E-Bike auf dem Weg zu Arbeit an einem kalten Wintermorgen

Update 22.01.2019

Als ich heute nach der Arbeit mit meinem E-Bike das Büro verließ, erwartete mich eine neue herausfordernde Überraschung. Es hat tatsächlich geschneit. Das ist im Rhein-Ruhr-Gebiet selten und verursacht in der Regel so manches Verkehrchaos. Das Fahren auf den zugeschneiten Fahrradwegen stellte sich aber als unproblematisch dar. Ehrlich gesagt, es hat richtig Spaß gemacht!
Allerdings habe ich sicherheitshalber die Geschwindigkeit von den E-Bike üblichen 25km/h auf knapp unter 20km reduziert und verstärkt mit Hinterbremse gebremst.

Rheinbruecke mit verschneiten Radweg
Hätte nicht gedacht. E-Bike fahren beim Neuschnee macht Spaß!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert