Nach Rückkehr aus England war es ein Jahr später im Sommer 1999 endlich zum zweiten Mal soweit. Nur leider war das Budget ähnlich klein und anstatt eines Monats standen klassisch nur 2 Wochen Zeit für meine 2. Radreise zur Verfügung.
Weiter war die Reiseplanung viel schwieriger als ein Jahr zuvor. Zwei ganz unterschiedliche Freunde wollten das Radreisen ausprobieren. Es ging also darum 3 Meinungen, 3 Vorstellungen von einer Radreise und 3 Budgets unter einen Hut zu bringen. Nach vielen Diskussionen und Recherchen hatten wir uns auf ein Ziel geeinigt.
Eine Umradelung von Korsika sollte es werden.
Neapel der Flughafen von Korsika
Leider fanden wir trotz langer Suche keinen bezahlbaren Direktflug nach Korsika.
Der einzige für uns bezahlbare Flug ging nach Neapel. Naiverweise lag Neapel für uns quasi gleich gegenüber von Korsika war.
In Wirklichkeit mussten wir 300 km an der italienisch Westküste nordwärts nach Porto Civitavecchia in glühender Sommerhitze strampeln. Nach 2 Tagen waren wir fix und fertig. Die italienische, schwüle Sommerhitze machte Radfahren zu einer Qual. Man schwitzte und alles klebte bereits vom alleinigen Aufenthalt in der Sonne.
Wir waren anscheinend die einzigen „Verrückten“, die im Hochsommer in Italien Fahrrad fuhren. Außerdem schien ganz Italien gerade Ferien an der Küste zu machen. Es war alles überfüllt und ehrlich gesagt alles irgendwie vermüllt und dreckig. Die Campingplätze waren teuer und unter dem für diesen Preis zu erwarteten Qualitätsniveau. Wegen der Hitze begann das Leben auf den Campingplätze lang nach Sonnenuntergang. Neben lauter Musik, waren aktives Fussballspielen unter Flutlichtanlagen bis spät in die Nacht angesagt. Das war nicht unbending erholgsam für jemanden der einen anstrengenden Radltag hinter und vor sich hatte.
Insgesamt brauchten wir letztendlich 4 lange Tage um nach Civiatvechia zu kommen. Da mussten wir feststellen, dass wir schlecht recherchiert haben. Die einzige Fähre an diesem Abend fuhr nach Olbia auf Sardinien. Von dort sollte aber die Fähre nach Korsika nur 50km entfernt sein.
Die Überfahrt auf der Fähre war erholsam. Im Vergleich zu den Nächten zuvor quasi ein Luxus, denn wir durften in den klimatisierten Unterdeck unsere Isomatten zum Schlafen auf den Boden ausbreiten.
Nach Ankunft in Olbia stellten sich die 50km deutlich herausfordernder als gehofft dar. Von Olbia aus ging es auf engen, viel befahrenen Serpentinenstraßen steil bergauf.
Die letzten Kilometer zu Santa Teresa, wo die Fähre nach Korsika ablegt, war allerdings uns eine befreiende und erfrischende Abfahrt gegönnt die unsere Vorfreude auf Korsika doch noch ansteigen ließ.
Endlich Korsika
Die eigentliche Belohnung für die Strapazen der letzten Tage auf unseren kleinen Radreise hatten wir allerdings noch vor uns.
Die Hafenstadt Bonficatio kam uns wie ein Traum vor. Mit der Fähre von Sardinien kommend ist der Hafen nicht einsehbar. Nur Bonifacio selbst und seine Festung hängen wie ein riesiges Vogelnest auf einem Felsen über dem Mittelmeer. Erst wenn die Fähre um den Felsen biegt und die enge Hafeneinfahrt passiert, eröffnet sich der pittoreske Yachthafen mit seinen pastellfarbenen, alten Häusern und der Hafenpromenade mit vielen Restaurants. Ein Traum, wo abends Menschen aus der ganzen Welt flanieren und die Reichen auf Ihren teilweise absurd großen Yachten bewundern.
Mit etwas Glück darf man dem Gesang der Korsen lauschen. Anmutig und voller Hingabe lassen die korsischen Männer den Nachthimmel in ihren Stimmen erklingen und lassen einen den Stolz der Korsen auf Ihre wunderschönen Insel erahnen.
Bonifacio selbst hat am Ortseingang einen schönen, schattigen Campingplatz zu bieten. Da wir aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage unsere Tagesleistung in km besser einschätzen konnten, gaben wir den Plan die gebirgige Westküste hochzufahren auf. Wir genossen dafür einige radfreie Tage und erkundeten die Gegend um Bonifacio, eh wir unsere Radreise entlang der flachen Ostküste Richtung Norden fortsetzten.
Flache Ostküste Korsikas
Aufgrund der im Vergleich zu bergigen Westküste angenehm flachen Ostküste folgten entspannte Radltage mit großzügigen Mittagspausen an traumhaften Stränden unter Pinienbäumen.
Als schönsten Campingplatz an der Ostküste Korsikas empfanden wir den Camping Amurucciu beim den Städtchen Alistro. Nicht nur der Leuchtturm versprüht mit seinen Leuchtfeuer eine besondere Atmosphäre, aber auch die Lage hat es uns angetan. Unser kleines Zelt durften wir fast direkt auf dem feinsandigen Strand aufstellen. Das Meeresrauschen und die klarer Sternenhimmel führten allerdings dazu, dass ich meine Isomatte kurzerhand außerhalb des Zeltes ausbreitete und die Nacht unter freiem Himmel verbrachte.
Nördlich der Hafenstadt Bastia angekommen, hatten wir bis zu Fähre, die uns nach Livorno dem italienischen Festland zurückbringen würde, noch gut einen Tag Zeit. Zeit das zu tun, was man sonst auf Korsika als Tourist tut, wenn man nicht gerade am Strand oder im Meer liegt – Wandern.
Spontan begab ich mich auf eine kleine Wanderung in die korsischen Berge. Leider sehr schlecht ausgerüstet, das würden mir meine blasigen Füße am Ende des Tages erzählen. Aber die Wanderung in 6 Stunden völliger Einsamkeit, durch unterschiedliche Vegetationen und teilweise über der Wolkengrenze an die Bergspitze eines unbekannten Berges waren es definitiv wert.
Wieder auf dem italienischen Festland
In der Hafenstadt Livorno angekommen, hatten wir immer noch etwas Zeit über. Unsere Landkarte offenbarte uns, dass ganz in der Nähe die Stadt Pisa mit seinem berühmten, schiefen Türmchen lag. Nach einer kurzen Fahrt waren wir in Pisa angekommen. Der Turm war/ist tatsächlich beeindruckend schief und dazu noch ziemlich schön. Allerdings ist der Rest von Pisa nicht wirklich beeindruckend, so dass wir froh waren als wir am nächsten Tag in den Zug stiegen und zu unserem spontan auserkorenen letzten Reisehöhepunkt aufbrachen.
Römerfreies Rom
Da das Radfahren an der Westküste Italiens uns auf der Hinfahrt das Gegenteil vom Spaß gemacht hatte, entschlossen wir uns auf der Rückreise den Zug zu nehmen und einen Zwischenstopp in Rom zu machen.
Rom überraschte uns, da es fast ohne Autoverkehr war. Die Erklärung war nicht ein innovatives umweltfreundliches Verkehrskonzept, sondern wahrscheinlich die Tatsache, dass alle Römer vermutlich gerade Ferien an der Küste machten. So umradelten wir mehrfach das Colosseum ohne Angst zu haben zwischen den Fiats der Römer zerquetscht zu werden.
Allerdings wurde uns schnell klar, warum die Römer aus ihrer Stadt geflüchtet waren. Die Sommersonne brachte die Straßen und Plätze Roms zum Glühen. Der menschenleere Petersplatz und die kochend heiße spanische Treppe, auf der ich mir beim Fotomachen den Allerwertesten fast verbrannte, waren nicht die einzigen Beweise.
Trotz der Hitze versprühte Rom im Hochsommer eine Entspanntheit auf uns. Vielleicht nicht die schlechteste Zeit diese Metropole zu besuchen.
Wildes Neapel
Als wir dann mit dem Abendzug von Rom kommend in Neapel Hauptbahnhof ankamen, waren nur noch einige entspannte Kilometer durch lauwarme Sommernacht bis zum Flughafen angesagt. Aus dem entspannten Fahrradausflug wurde nichts. Viertel in der Nähe von Bahnhöfen sind in der Regel keine „ruhigen Pflaster“. Das gilt für Neapel genauso.
Nach wenigen Metern merkten wir, dass wir in einer „Gangstercity“ angekommen waren, in der gerade Rush-hour herrschte. Autos mit quietschenden Reifen für die rote Ampel keine Hindernisse darstellen, stellten nur eine von vielen potentiellen Gefahrenquellen für zwei Fahrradtouristen dar.
Uns blieb keine Wahl als selbst Vollgas zu geben, was die Waden hergaben. Hauptsache nicht stehen bleiben. Unbeschadet, aber völlig übersäuert kamen wir am Flughafen von Neapel an.
Reiseplan verfehlt
Auch die zweite Radreise verlief komplett anders als geplant. Von einer Korsikaumradelung waren wir wortwörtlich meilenweit entfernt. Eine erlebnisreiche unvergessliche Reise wurde es trotzdem.
Etwas dazu gelernt haben wir auch, Radreisen im Hochsommer in Südeuropa sind nicht besonders sinnvoll und Neapel liegt nicht gegenüber von Korsika.