Vor etwa zwei Jahren habe ich das Wandern für mich entdeckt. Allerdings beschränkte sich das Entdecken auf ausgedehnte Tageswanderungen. Entspannung und Ruhe finden, stehen bei diesen meist spontanen Alltagsfluchten in die Wälder und Berge der näheren Umgebung im Vordergrund. Eine Wanderung über mehrere Tage oder anders gesagt ein kleiner Wanderurlaub, war bisher nur ein Hirngespinst beim Einkehren oder beim Bierchen danach.
Gedanklich hatten wir sogar eine Alpenüberquerung in Angriff genommen. Glücklicherweise hatten wir aus Zeitmangel dieses Unterfangen nicht ernsthaft weiter verfolgt. Ein solches an Selbstüberschätzung grenzende Vorhaben zweier untrainierter Ruhrgebietsflachlandwanderexperten wäre wahrscheinlich bereits nach der ersten Etappe zu Ende gewesen.
Aber nicht nur Zeitmangel standen einem kleinen Wanderurlaub im Weg, sondern auch ein gewisser Respekt vor der physischen Anstrengung. Nimmt man die schweren Beine und den müden Körper am nächsten Tag nach einer Tageswanderung als angenehme, wohlverdienten Belohnung wahr, so wandelte sich dieses Gefühl in eine kleine Besorgnis, wenn ich mir vorstellte direkt wieder 25km wandern zu müssen.
Mit von den Tageswanderung eingelaufenen Wanderschuhen und einem Regenschirm unterm Arm, war es dann im Corona September 2020 trotzdem so weit. Mein Freund Toto und ich haben tatsächlich einen gemeinsamen Termin gefunden und wagten das „Abenteuer“ 3 Tage über den Rheinsteig zu steigen. Ich hoffe das sagt man so 🙂
Der Rheinsteig ist super ausschildert und in viele Etappen zu ca. 15km eingeteilt. In jedem Ort findet man ohne größere Schwierigkeiten ein Hotel, das man über die bekannten Plattformen online buchen kann.
Da wir nicht wussten, wie weit uns unsere Füße tragen würden, haben wir auch nur die erste Übernachtung im Voraus gebucht.
Exkurs Corona
Corona bedingt waren im September 2020 zwar für fast alle Länder Reisewarnungen ausgesprochen worden, aber touristische Inlandsübernachtungen waren zu dem Zeitpunkt noch kein Problem. Jetzt während ich dies hier schreibe, im Dezember 2020, herrscht in Deutschland nach rasanten, aber vorhersagten Anstieg der Infizierten ein „softer“ Lockdown. Die Regierung hat entschieden, dass zwar Schulen und alle Betriebe auf bleiben, aber Hotels, Restaurants und Kulturstätten in Deutschland bis 10.Januar geschlossen bleiben. Mal schauen wie lange die Menschen das Notwendige, aber nicht immer nachvollziehbare, noch akzeptieren.
Im September 2020 war die Welt aber etwas normaler als heute. Nach Ankunft in Königswinter ging es steil hinauf zum Drachenfelsen. Nach ersten Erinnerungsschnappschüssen, hatten wir vor lauter Abzweigungen kurz und das einzige Mal trotz dem eindeutigen Rheinsteigsymbol die Orientierung verloren. Trotz zeitweiliger Orientierungslosigkeit erreichten wir zeitig unser Tagesziel.
Das praktische an dem Rheinsteig, neben der Tatsache, dass er am Rhein entlang führt, ist dass auch die Regionalbahn im Rheintal entlang des Rheinsteigs fährt. Man kann also jederzeit die Rückkehr zum Ausgangspunkt antreten.
Rheinsteig – ein ständiges auf und ab
Der Rheinsteig ist ein ständiges auf und ab. Kaum hat man den Rheinhang erwandert, geht es wieder herunter ins Rheintal. Was eigentlich ziemlich sinnlos ist, da man die gleichen Rheinkilometer in ein Drittel der Zeit zurücklegen würde, wenn man einfach entlang des Rheins laufen würde.
Dafür würde man aber so manche grandiose Aussicht auf den Vatter Rhein verpassen. Allerdings ist es zunächst ein leicht demotivierendes Gefühl nach einer ganzen Tageswanderung immer noch den Drachenfelsen, den Startpunkt der ersten Etappe am Horizont erkennen zu können.
Beim Rheinsteig ist ganz klar der Weg das Ziel
Der Rheinsteig lohnt sich aber. Ein Weg voller Abwechslung. Man durchquert offene Felder, Streuobstwiesen mit alten Apfelbäumen, kleine Orte mit schönen Fachwerkhäusern, geschichtsträchtige Gedenkstätten um schließlich immer wieder in Waldabschnitte einzutauchen, wo wir auch mal eine Stunde keinem anderen Menschen begegnet sind.
Anscheinend war unsere Wahl den Ausflug von Sonntag bis Dienstag zu machen, diesbezüglich eine gute Entscheidung. Nachträglich war erwartungsgemäß der Abschnitt um den Drachenfelsen überlaufen. Schließlich war es ein schöner Sonntag und viele Tagesausflügler waren unterwegs. Ab Montag gehörte der Rheinsteig quasi uns allein. Nur zwei andere Wanderer kamen uns entgegen.
An unserem zweiten Tag hatten wir gegen späten Mittag bereits unsere erste Etappe des Rheinsteigs von Bad Honnef nach Linz hinter uns. Nach einer verdienten Kaffee-Kuchen-Pause entschlossen wir noch eine Etappe nach Bad Hönningen dran zu hängen. So kamen an dem Tag knapp 30 km mit ungefähr 800 Höhenmetern zusammen. Mein persönlicher Streckenrekord.
Dauerregen mag ich nicht
Dauerregen machte unseren dritten Tag zu einer kleinen mentalen Herausforderung. Der Regenschirm, den ich als Alibi-Wanderstock zwei Tage lang mit mir herumschleppte, zahlte sich voll und ganz aus, aber nach 3 Stunden waren wir trotzdem komplett durchnässt. Mit den schweren Beinen vom Vortag entschlossen wir kurzerhand die Etappe nach Leutesdorf abzukürzen indem wir die letzten Kilometer einfach entspannt dem Rhein folgten.
Mit Lichtgeschwindigkeit zurück
Von Leutesdorf fuhr uns die Regionalbahn zurück nach Königswinter. Für unsere 3 Tagesstrecken brauchte die Bahn nur eine halbe Stunde. Egal, der Weg war ja das Ziel 🙂
Impressionen vom Rheinsteig 2020