Erste gemeinsame Familien-Radreise:
Als Familie mit einem Kleinkind und Hund stellt man sich die Frage, welche Art von Urlaub zu der aktuellen Lebenssituation passt. Als junge Eltern möchte man seine eigenen Vorstellungen „von früher“ nicht völlig aufgeben. Letztendlich ist aber klar, dass ein Familienurlaub stets ein Kompromiss ist.
Da wir nicht wollten, dass unsere Tochter ihre erste längere Radreise komplett in einem Fahrradanhänger verbringt, haben wir mit unserer ersten gemeinsamen Familien-Radreise gewartet bis unsere Tochter 7 Jahre alt wurde. Mit 7 Jahren konnte sie zwar längst selbst Radfahren, aber sie sollte nicht gestresst hinter uns her strampeln oder einfach nicht überfordert werden. Auch, wenn sie ihre Fahrradprüfung bestanden bereits bestanden hatte, wollten wir nicht ständig auf sie aufpassen müssen. Schließlich hatten wir auch unseres vierbeiniges Familienmitglied – unseren Hündin Winnie – dabei, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit benötigte.
Unsere Lösung bei der alle Familienmitglieder das Unterwegssein genießen konnten war ein Trailer, der an eines der beiden Erwachsenenräder befestigt wurde und ein Kinderfahrradanhänger der an das andere Rad befestigt wurde. Den Anhänger teilten sich unsere Tochter und unser Hund abwechselnd. Bei Anstiegen war unsere Tochter der Passagier, auf schnellen ebenen Strecken oder Abfahrten machte sich Winnie drin bequem. Ansonsten war unsere Tochter auf dem Trailer gut aufgehoben. Sie konnte sich physisch an dem Vorankommen beteiligen, musste aber gleichzeitig nicht auf die „Gefahren“ achten, sondern konnte einfach die Aussichten genießen.
Vorteile eines Urlaubs vor der Haustür
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Wenn ein Urlaub mit dem ersten Meter anfängt auf denen man das eigene Haus verlässt, hat das mehrere Vorteile. Man verliert keine kostbare Urlaubszeit. Es geht sofort los. Und ein sehr sinnvoller Nebeneffekt, ihr habt den größten Umweltbelastungeffekt einer Reise ausgespart – die Anreise. Die Anreise an sich ist selten der angenehme Teil eines Urlaubs umso besser wenn sie komplette entfällt.
So entschieden wir unsere Familien-Radreise direkt vor der Haustür zu beginnen.
Zugegebenermaßen haben wir einen Vorteil. Wir wohnen in Duisburg an der Mündung des Flußes Ruhr in den Rhein. An dieser Stelle endet auch der 200km lang Ruhrtalradweg, der von der Quelle bis zu Mündung führt. Diesen Ruhrtalradweg würden wir in den nächsten Tagen flussaufwärts fahren und ihn irgendwann verlassen um Richtung Minden zu fahren. Dort würden wir in einen Zug steigen, um mit ihm direkt nach Duisburg zurückkehren. Das war der grobe Plan. Mehr Planung war nicht nötig und wenn der Plan nicht aufgeht, dann würden wir umplanen.
Weiterer Vorteil eines solchen Urlaubs vor der Haustür. Spontane Reiseplanänderungen, die beim Reisen mit Kind und Hund nicht unwahrscheinlich sind, sind wesentlich einfacher umzusetzen als in einem fremden, fernen Land.
Es ist eine Frage der Perspektive und Geschwindigkeit
Es ist erstaunlich was ein kleiner Perspektivenwechsel für unsere Wahrnehmung ausmacht. Tausende von Pendlern die jeden Tag das Ruhrgebiet entweder auf der Autobahn oder mit Zug durchqueren, werden nicht gerade mit schönen Aussichten verwöhnt.
Es ist um so erstaunlicher wie sich die Sicht, die Wahrnehmung und damit auch die Erfahrung verändert, wenn man teilweise um nur wenige Hundert Meter die Reiseroute verschiebt und sich wie in unserem Fall entlang eines ehemaligen Industrieflusses ohne Zeitdruck langsam vorwärtsbewegt. Der Perspektivenwechsel zusammen mit der entschleunigten Geschwindigkeit eines voll beladenen Fahrrads lässt einen eine vermeintlich bestens bekannte Gegend neu entdecken und wahrnehmen.
Damit alle diese positiven Gefühle sich einstellen konnten, haben wir uns bewusst Zeit genommen. Es gab keine Tagesziele oder Mindestkilometer pro Tag die wir unbedingt erreichen wollten. Einziges Muss waren spontane Pausen.
Am liebsten immer am Fluss entlang
Geht leider nicht immer, obwohl es für eine Familien-Radreise mit so viel Ballast nichts besseres gibt. Aber dazu ein anderes mal mehr.
Darüber hinaus finde ich persönlich Flusslandschaften oft verzaubernd und interessant, da oft voller sichtbarer Geschichte. Die Natur des ehemaligen Industrieflusses Ruhr hat sich in wenigen Jahrzehnten einen Großteil der Landschaft zurückgeholt und dient nicht nur als Radreiseweg sondern als Naherholungsgebiet für viele Menschen des Ruhrgebiets.
Wir bewegten uns jeden Tag ca. 60km entspannt vorwärts bis wir nach wenigen Tagen, aber gefühlt viel längeren Zeit, irgendwann hinter Meschede den Flusslauf der Ruhr verlassen mussten, um unsere Reiserichtung nach Norden fortzusetzen.
Hier begann ein kurzer aber physisch anstrengendste Teil unserer kleinen Reise.
Um das nächste „rettende“ Flussufer des Flüsschens Diemel zu erreichen, mussten wir einige Anstiege des Rothargebirges überwinden.
Das hat nicht wirklich Spaß gemacht, aber machte uns stolz als wir am Abend zum Fuße des der Diemeltalsperre in einer netten Pansion einkehrten.
Für einen perfekten Tagesabschluss wagten wir einen Sprung in das kühle Wasser des Diemelsees.
Die Diemel selbst hat uns in den darauf folgenden Tagen reichlich für die Strapazen belohnt. Im Vergleich zur Ruhr ist Diemel ein ursprüngliches, pittoreskes Flüsschen an dem man kaum andere Radreisende trifft. Eine halbe Stunde keinen anderen Menschen zu treffen ist für einen Stadtmenschen eine ungewohnte aber durchaus angenehme Erfahrung.
An dem architektonisch sagen wir mal für die Gegend ungewöhnlichen Städtchen Bad Karlshafen mündet die Diemel in die Weser. Bad Karlshafen selbst mit seinen weißen, alten Häusern hat sich ein wenig den Charme eines Kurortes des 19 Jahrhundert bewahrt. Mit der Folge, dass dort auch die Uhren scheinbar noch etwas langsamer ticken. In unserem Fall bedeute das, dass wir an diesem Tag ohne warmes Mittagessen auskommen mussten, da alles zwischen 13 und 15 Uhr geschlossen hatte.
Nun ging es nordwärts entspannt entlang der Weser. Das Wetter spielte mit, die Sonne schien und wir genossen jeden einzelnen Meter. Bis wir auf einmal dann doch keine Lust mehr hatten und deswegen unseren Regional-Spontan-Joker zogen. Im nächsten Städtchen ab in einen Regionalzug und mit einmal Umsteigen, waren wir am späten Abend wieder Zuhause.
Eine abwechslungsreiche Woche in den Beinen und den Kopf voller neuer Eindrücke. Ganz schön viel erlebt für eine Reise vor der Haustür.
Praktische Reisinfos
Routenplanung
Alle Wege waren ausgeschildert und da wir die meiste Zeit entlang von Flüssen unterwegs waren, war Verfahren sowieso schwierig.
Wo schlafen?
Bei unserer ersten Familien-Radreise haben wir nichts im Voraus gebucht. Entlang des Ruhrradweges ist eine gute Infrastruktur für Radwanderer entstanden. Fast in jedem Ort findet man ein Hotel oder eine Pansion. Sollte es mal schwierig werden, einfach wenige Kilometer weiter bis zu nächstem Ort fahren. Ansonsten haben wir für den Notfall auch immer ein kleine Campingausrüstung dabei, die wir in dem Anhänger transportieren dabei.
Wie teuer?
Ein Vorteil einer Reise vor der Haustür ist, dass es preisgünstig ist.
Wir haben in der Regel so um die 60 Euro für ein Doppelzimmer (in der Regel inkl. Frühstück) bezahlt. Eine Woche hat uns also nicht mehr als 500 Euro gekostet. für 2 Erwachsene, 1 Kind und Hund finde ich das überschaubar.
Ausrüstung?
20 Jahre altes Trekkingrad mit gebrauchten Fahrradanhänger vom Baumarkt (hauptsächlich für den Hund) und ein Damenrad mit 7-Gang Nabenschaltung Nexus von Shimano mit angehängten Kinder-Trailer.
Der gebraucht gekaufte Trailer hat gute Dienste geleistet und war auch später im Alltag sehr nützlich.
Die Vorteile eines Kindertrailers, werde ich mal separat zusammenfassen.
Reiseinspirationen in Bildern